Christiane Heibach (Uni Regensburg)

Figurationen des Unmittelbaren
Unmittelbarkeit war als Begriff lange aus den medientheoretischen Diskursen verbannt. Denn dass der Zugang des Menschen zu seiner Umwelt nur über mediale Vermittlung möglich sei, galt als eines der grundlegendsten Axiome der sich seit den 1960er Jahren ausdifferenzierenden Medienwissenschaft. Doch bei genauerem Hinsehen stellt sich heraus, dass gerade die intensiven Diskussionen um die digitalen Technologien von einer grundlegenden Ambivalenz geprägt sind: So streben beispielsweise Virtual und Augmented Reality-Technologien seit den 1960er und 1970er Jahren danach, dem Rezipienten ein möglichst intensives, realitätsähnliches und damit unmittelbares Erleben zu ermöglichen. Aktuelle Visionen gehen sogar noch weiter, wenn die Technologien völlig in der uns vertrauten Alltagswelt verschwinden, so dass wir vergessen, dass wir uns in hochtechnisierten Lebensräumen befinden und mit beständig (mehr oder weniger) intelligenten Maschinen interagieren. Auch diese Entwicklungen stehen unter dem Paradigma der Unmittelbarkeit, das sich nicht nur in der Technologiepraxis, sondern auch in den medientheoretischen Diskursen nachzeichnen lässt: Die Wiederentdeckung der affektiven Wirksamkeit der Medien gehört genauso dazu wie die Idee, durch den Einsatz digitaler Technologien wieder mehr direkte Interaktion zu ermöglichen.
Distanzlosigkeit, Emotionalität, Direktheit, Immersion sind somit Bestandteile von Figurationen des Unmittelbaren. Diese näher zu beleuchten ist umso relevanter, als sie nicht nur Intensität des Erlebens versprechen, sondern auch manipulatives Potential in sich bergen und möglicherweise antiaufklärerische Tendenzen der Gegenwart befördern.
In der Ringvorlesung werden somit Figurationen des Unmittelbaren aus verschiedenen disziplinären Perspektiven kritisch betrachtet: Dabei kommen nicht nur die Medienwissenschaften zu Wort, sondern auch die Philologien, die Philosophie, die Kulturwissenschaft genauso wie die Politologie und last but not least Kunst und Design.
Ringvorlesung
Dienstags, 18 – 20 Uhr c. t.
Zentrales Hörsaalgebäude H 4
17.10.2017
Frank Hartmann (Bauhaus-Universität Weimar)
Jenseits der Medienmoderne: Interfaces
24.10.2017
Mădălina Diaconu (Universität Wien)
Das Wetter als Medium und Phänomen
7.11.2017
Herbert Schwaab (Universität Regensburg)
It‘s (still) alive. Residuen der Unmittelbarkeit in der Sitcom und im Reality TV
14.11.2017
Stefan Rieger (Ruhr-Universität Bochum)
Anthropophilie. Der Medien neue Kleider
21.11.2017
Christoph Wagner (Universität Regensburg)
Konstruktionen der Unmittelbarkeit in der Kunst
28.11.2017
Natascha Adamowsky (Universität Siegen)
Okkulte Medien – Spezialeffekte der Unmittelbarkeit
5.12.2017
Silke Roesler-Keilholz (Universität Regensburg)
‚net works‘. Figurationen der Überwachung zwischen Nähe und Distanz
12.12.2017
Alexander Thumfart (Universität Erfurt)
„Nahe am Menschen“: Die politische Inszenierung von Unmittelbarkeit
9.1.2018
Solveig Ottmann (Universität Regensburg)
Sensing Sounds. ASMR und andere (Un-)Mittelbarkeiten
16.1.2018
Oliver Ruf (Hochschule Furtwangen)
Unmittelbares Design. Über „smarte“ Gestaltung
23.1.2018
Michael Fleig (Universität Regensburg)
Unmittelbarkeit zwischen analog und digital: Zum Phänomen der Mediennostalgie in der
digitalen Ära
30.1.2018
Anke Finger (University of Connecticut, Storrs)
Unmittelbarkeit in der Avantgarde: Vom Aufbrechen der Medien durch die Sinne
6.2.2018
Christian Wolff (Universität Regensburg)
Immersion, Natürlichkeit, Realismus: Spielarten der Unmittelbarkeit in der Mensch-Maschine-Interaktion
Sekretariat | PT 3.0.58
Renate Vogl
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