Überblick
Die Anfänge einer Bürgerschaft reichen im Falle Regensburgs bis in die Karolingerzeit zurück, als erste Vertreter dieser sozialen Schicht Ende des 9. Jahrhunderts im Umfeld von St. Emmeram auftauchen. Bis zur nächsten Nennung eines cives um 980 erstreckt sich eine der schlechten Quellenlage geschuldete Lücke. Ab dem 12. Jahrhundert wird die Überlieferung besser, und es ergibt sich das Bild einer sich langsam verfestigenden Elite. Deren Kern bildeten offenbar Kaufleute, die vor allem im Fernhandel zu Reichtum gelangten, und Ministeriale, die in Diensten von König, Herzog oder Bischof standen.
Aufgrund der gerade in Regensburg recht komplexen Herrschaftstektonik, die durch die Überlagerung königlicher, herzoglicher und bischöflicher Machtansprüche gekennzeichnet war, ergaben sich bei Konflikten zwischen diesen Lagern manchmal erhebliche Verschiebungen, die von der Bürgerschaft zur Realisierung eigener Ambitionen genutzt werden konnten.
Diese herrschaftspolitische Dynamik führte dazu, dass die Konkurrenten in der Bürgerschaft mehr und mehr wichtige Bündnispartner sahen, die sie durch Gewährung von Privilegien an sich zu binden suchten. Im Laufe der Zeit kam es so gewissermaßen zu einer Addition von Einzelrechten, die im Ergebnis auf die bürgerliche Stadtherrschaft hinausliefen. Diese Entwicklung kam schon im 12. Jahrhundert in Gang und fand ihren Höhepunkt 1245 im Aufstieg Regensburgs zur Freien Reichsstadt.
Die Herrschaft über Regensburg lag nun in Händen einer sozialen Elite, die trotz mancher Einwände nach wie vor am besten mit dem Begriff ‚Patriziat‘ gekennzeichnet ist. Zu den bisher den sozialen Status dieser Elite prägenden Elementen trat jetzt die Ausübung politischer Herrschaft, was das Patriziat nun noch mehr gegen andere, konkurrierende Gruppen abgrenzte. Hatten sich die Familienverbände bis dahin hauptsächlich in sozialen, religiös-karitativen, repräsentationsbezogenen und ökonomischen Handlungsräumen bewegt, kam spätesten 1245 ein politisch-stadtherrschaftlicher Aspekt hinzu. Die soziale Elite bestand im Falle Regensburgs aus gut 40 Familien, die durch vielfältige Verbindungen untereinander verflochten waren und so ein Netzwerk bildeten, das durch Wirtschaftsbeziehungen und Konnubium mit Familien anderer Städte weit über die Stadtgrenzen hinausreichte, dabei aber trotz scheinbarer Homogenität tatsächlich äußerst heterogen war. Es erscheint daher für die Erforschung der städtischen Kommunikation unabdingbar, die Träger dieser Kommunikation in Gestalt einer einzelnen Familie in den Fokus zu nehmen. Der dabei zu entwickelnde Fragenkatalog und das Suchraster können die spätere Untersuchung weiterer Familien ermöglichen oder erleichtern.
Die Zant waren Schultheißen, Judenrichter, Hansräte und Münzmeister und gehörten damit zu den am meisten herausgehobenen Familien. Aufgrund ihrer zentralen Stellung in der Stadt und ihres sich daraus ergebenden weitreichenden Engagements auf allen relevanten Handlungsfeldern stellen die Zant daher ein hervorragendes Objekt für die Beschäftigung mit der Regensburger Bürgerschaft dar.
Fragenkomplexe
Folgende Fragenkomplexe bilden das Gerüst für die Untersuchung:
Prosopografische Grundlagen: Woher kommen die Zant? Aus welchem herrschaftlichen Bereich stammen sie? Was war ihr rechtlicher Status? Wohin verlassen die Zant 1359 – nach Verlust ihrer Ämter – die Stadt und wann taten sie dies? Welche sind die letzten heute bekannten Zant?
Wirtschaftsleben und Besitz: Über welche Besitzungen verfügen die Zant, um überhaupt in die politisch führende Position zu gelangen? In welchem Größenverhältnis steht dieser Besitz zu dem der anderen Patrizierfamilien? Sind Besitzkonzentrationen erkennbar und lassen diese Rückschlüsse auf die Verbindungen zu Bischof, Herzog und König zu?
Ämter und Funktionen: Wie gelangen die Zant in ihre zahlreichen Ämter? Welche Stellung haben die Zant dadurch in der noch jungen Stadtverfassung? Welche politischen Positionen nehmen die Zant ein? Wie können sie den sog. Aueraufstand scheinbar unbeschadet überstehen? Wie genau verläuft der Verlust des Schultheißengerichts um 1359?
Soziale Netzwerke: Mit welchen Familien verbinden die Zant besonders enge Netzwerke? Gibt es familiäre Netzwerke anderer Familien, mit denen die Zant offenbar bewusst keine Verbindung eingingen? Werden unterschiedliche, miteinander nicht vermischte Verwandtschaftsnetzwerke deutlich und sind dabei Strukturen ablesbar?
Religiös-karitativer Bereich: Welche karitativen Einrichtungen stiften die Zant und welche Funktionen haben einzelne Familienmitglieder in solchen Einrichtungen? Spielen die Zant mit ihrem Engagement eine Vorreiterrolle? Unterscheidet sich ihr Verhalten von dem anderer Patrizierfamilien?
Repräsentation: Welche Formen der Repräsentation üben die Zant aus? Welche Rolle spielen die Zant in dieser Hinsicht innerhalb der patrizischen Oberschicht? Gibt es Unterschiede zu anderen Familien? Worauf legten die Zant den Schwerpunkt?
Was ist das Ziel der Dissertation?
Welche Ergebnisse lassen sich erwarten? Möchte man der „Frage nach den Konstrukteuren und Konstruktionsprinzipen des räumlichen Gefüges [innerhalb der Stadt]“ nachgehen, ist die Entwicklung eines entsprechenden Fragenkatalogs unabdingbar, wofür zunächst ein Akteur genauere Aufmerksamkeit erfahren sollte. Die Eignung der Zant als Gegenstand einer solch familiengeschichtlich-prosopografisch fundierten Erforschung des urbanen Binnenraums Regensburg steht dabei außer Frage. An ihrem Beispiel sind bedeutende Fortschritte zu erwarten, besonders was die inneren Strukturen und Mechanismen der sozialen und politischen Elite Regensburgs anbelangt. Dadurch kann ein gewichtiger Beitrag zu den bekannten Problemfeldern der spätmittelalterlichen Stadtgeschichtsforschung für Regensburg geleistet werden, so zum Beispiel zu Fragen der inneren Verfassung und Verwaltung, der rechtlichen Kompetenzen der Bürgerschaft und des Verhältnisses der Bürgerschaft zu den ehemaligen Stadtherren und den auch nach 1245 selbstständig bleibenden Herrschaftsbereichen wie etwa St. Emmeram.
Joachim Friedl M.A.