In nahezu allen Studienfächern wird von den Studierenden erwartet, dass sie sich mit wissenschaftlicher Originalliteratur auseinandersetzen. Eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit solchen Texten geht über die rezeptive Erarbeitung der Textinhalte hinaus. So müssen vor allem im Rahmen von Abschlussarbeiten zahlreiche Texte gesichtet, geeignete Texte identifiziert und kritisch reflektiert werden. Die hierzu nötige Kompetenz im Umgang mit wissenschaftlicher Originalliteratur setzt ein breites Repertoire unterschiedlicher Strategien voraus, die selten explizit im Studium vermittelt werden.
Um das Spektrum potenziell relevanter Teilkompetenzen im Umgang mit wissenschaftlicher Literatur aufzufächern, unterscheiden wir zwischen zwei Zieltypen (rezeptive versus epistemische Ziele) und zwei Verarbeitungsmodi (systematischer versus heuristischer Modus). Leser(innen) mit einem rezeptiven Ziel versuchen Wissen zu erwerben, während Leser(innen) mit einem epistemischen Ziel versuchen, sich einen eigenen Standpunkt zu den Inhalten zu bilden, die im Text diskutiert werden. Diese Ziele können entweder auf systematische (Tiefenverarbeitung der Textinhalte) oder auf heuristische (regelgeleitete Verarbeitung von Oberflächenmerkmalen) Weise verfolgt werden. Die Kombination der beiden Zieltypen mit beiden Verarbeitungsmodi ergibt ein Schema, in dem vier Kategorien von Strategien unterschieden werden:
Verarbeitungsziele | ||
Verarbeitungs-modus | Rezeptiv | Epistemisch |
Systematisch | z.B. Organisieren | z.B. Prüfung argumentativer Konsistenz |
Heuristisch | z.B. "scanning" zur Lokalisation bestimmter Information | z.B. Nutzung von Quelleninformation |
Wir vermuten, dass Leser(innen) über Strategien aus allen vier Kategorien verfügen müssen, um kompetent mit wissenschaftlicher Literatur umzugehen. Darüber hinaus benötigen sie Wissen darüber, unter welchen Bedingungen und bei welchen Zielen bestimmte Strategien eingesetzt werden können (conditional knowledge).
Die Projektarbeiten beruhen auf einem kognitionspsychologisch orientierten Verständnis von Kompetenzen als „systems of kowledge and belief“, das erfolgreiche Handlungen in bestimmten Anforderungssituationen ermöglicht. Dementsprechend liegt der Schwerpunkt des Projekts auf der Analyse des deklarativen und prozeduralen Wissens, das einer hohen Kompetenz Studierender im Umgang mit wissenschaftlicher Literatur zugrunde liegt. Auf diese Weise soll die Validität der bereits vorliegenden Testverfahren aus dem Vorläuferprojekt (Kompetenzen Studierender im Umgang mit wissenschaftlicher Originalliteratur - KOSWO) überprüft werden. Der Validierungsansatz beinhaltet Trainingsexperimente, eine Experten-Novizen-Untersuchung mit Eye-Tracking und die Erfassung ökologisch valider Leistungsdaten.
Projektleitung:
Dr. Sebastian Schmid (Universität Regensburg)
Prof. Dr. Tobias Richter (Universität Würzburg)
Prof. Dr. Klaus-Peter Wild (Universität Regensburg)
Wissenschaftliche Mitarbeiterin:
Sabrina Viehauser (Universität Regensburg)
Das Verbundprojekt ist Teil der Förderinitiative Kompetenzmodellierung und Kompetenzerfassung im Hochschulsektor (KoKoHs) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
Laufzeit: 01.01.2016 bis 31.12.2018